Die nachfolgende Erklärung der Kommunistischen Plattform / Clara Zetkin im Landesverband Hamburg der Partei DIE LINKE wurde im Mai 2024 in den Landesvorstand der Partei DIE LINKE eingebracht. Die Genossinnen und Genossen verbanden dies mit der Bitte, eine entsprechende Erklärung des Parteigremiums zu beschließen, mit der sich DIE LINKE gegen jede Komplizenschaft und Involvierung Deutschlands in gegenwärtiges Unrecht wendet. Die Bürgerschaftsfraktion wurde dazu aufgefordert, Waffenlieferungen nach Israel über den Hamburger Hafen in der Bürgerschaft zu einem Thema zu machen.
Dieser Antrag wurde als Ganzes bei einer Gegenstimme abgelehnt. Begründung (u.a.): Die Bundespartei hätte sich ja schon im September des Vorjahres zur Thematik geäußert. Ob Waffen von Hamburg nach Israel verschifft werden, sei zudem gar nicht klar. Unsere Reaktion war Ironie: „Stimmt – die Welt steht still seit Oktober 2023 und die Forderung nach einem atomwaffenfreien Hamburg sei wohl auch falsch gewesen, denn Hamburg hatte ja nie Atomwaffen.“ Eine Teilübernahme kam vom anwesenden Bürgerschaftsabgeordneten Norbert Hackbusch. Er erklärte, den Antrag mit in die Fraktion zu nehmen.
Stellungnahme der Kommunistischen Plattform „Clara Zetkin“ im Landesverband Hamburg der Partei DIE LINKE
Die KPF/CZ steht an der Seite aller Israelis und Palästinenser, die mit uns die Losung „Peace now!“ für den aktuellen militärisch ausgetragenen Konflikt zwischen Israel und Palästina teilen, egal ob sie Juden, Christen, Drusen, Muslime, Agnostiker, Freidenker oder Atheisten sind.
Als Kommunisten sind wir proletarische Internationalisten. Das ist kein abstrakter Slogan, sondern eine konkrete Richtschnur, die von einer prinzipiellen Interessenübereinstimmung arbeitender Menschen weltweit ausgeht. Wir reichen den konsequenten Vertretern der Interessen der gesamten Arbeiterklasse über nationale Grenzen hinweg die Hand. Dies sind kommunistische oder andere kämpferische sozialistische Parteien sowie fortschrittliche nationale Befreiungsbewegungen und demokratische Widerstandsorganisationen.
Proletarischer Internationalismus bestimmt auch unser Verständnis von und Verhältnis zu den fortschrittlichen Kräften in Israel und Palästina. Ausgehend vom objektiven Interesse der Menschen an einem Leben in Würde, Selbstbestimmung, freier Entfaltung und Frieden reichen wir deshalb in Israel MAKI, d.h. der KP Israels, und ihrer Einheitsfront Hadash, als politischen Organisationen die Hand. Dies gilt auch für die dortige Friedensbewegung, mutige Kriegsdienstverweigerer*innen und kämpferische Gewerkschaften. In den besetzten palästinensischen Gebieten ist die Palästinensische Volkspartei (PPP), d.h. die Palästinensische KP, unsere Hauptpartnerin.
Wir wollen die genannten Organisationen in Deutschland als authentische Stimmen der Bevölkerung in Israel und Palästina hörbar und sichtbar machen. Angesichts der zunehmenden Militarisierung weltweit haben wir auch Angehörige der bewaffneten Streitkräfte von einer Politik des Friedens zu überzeugen und von der unter europäischen Linken gerne gepflegten Betonung der ‚Zivilbevölkerung‘ als vermeintlicher einziger Ansprechpartnerin dezidiert wegzukommen.
Die grundsätzliche Solidarität mit den genannten Kräften vor Ort entbindet uns nicht von einer eignen Stellungnahme. Wir kritisieren deshalb die Bezeichnung des 7. Oktobers durch den PPP-Generalsekretär als einen heroischen Akt, mit dem das zionistische Establishment erschüttert worden sei. Folgerichtig begrüßen wir die Haltung des PPP-Mitglieds Issam Aruri, der sich gegen individuellen Terror und für Massenpolitik aussprach. Wir lehnen individuellen Terror ab, auch wenn er das Ergebnis vorheriger Unterdrückung ist.
Politische Forderungen müssen von einer Empathie mit allen Opfern des Konflikts ausgehen. Israel und die Vereinten Nationen sind verpflichtet, die Versorgung der hunger- und notleidenden palästinensischen Bevölkerung her- und sicherzustellen. Allein ein sofortiger Waffenstillstand ist das geeignete Mittel, um das Leid der Palästinenser zu lindern. Zugleich sind alle Geiseln und Gefangenen sofort freizulassen.
Auch Menschen in Israel sollen ein Leben in Frieden auf der Grundlage eines erweiterten Sicherheitsbegriff genießen können. Wir sind der Ansicht, dass die oft zitierte Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels in diesem Sinne nur eingelöst werden kann, wenn alles getan wird, damit alle Menschen in der Region in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können.
Unsere Schlussfolgerungen aus Krieg, Faschismus und Völkermord sind ein universalistisches „Nie wieder!“ Daher bekämpfen wir jede Komplizenschaft und Involvierung Deutschlands in gegenwärtiges Unrecht und lehnen deshalb weitere Waffenlieferungen an Israel entschieden ab.
Mittel- und langfristig geht es um einen gerechten Frieden in Nahost. Dieser beinhaltet notwendigerweise ein Ende der völkerrechtswidrigen Besatzung der Westbank und von Gaza, die Anerkennung des Existenzrechts eines israelischen sowie eines palästinensischen Staates auf den Gebieten des ehemaligen britischen Protektorats Palästina – ob in zwei voneinander unabhängigen oder in einem gemeinsamen binationalen Staat werden Israelis und Palästinenser selber entscheiden!
Ein Sprichwort lautet: „Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Für uns als dialektische und historische Materialisten bedeutet dies, dass die Bäume nur in der Gesamtperspektive des Waldes verstanden werden können. Es kommt also daraufhin, jede Tatsache und jedes Ereignis in ihrem historisch-konkreten Gesamtzusammenhang zu betrachten. Es geht aus unserer Sicht immer um den ganzen Wald, nie bloß um die (mitunter moralisch wertende) Betrachtung einzelner Tatbestände. Eine Betrachtung geschichtlicher wie aktueller Ereignisabfolgen, vorgetragen im Stile der Sandkistenfrage „Wer hat angefangen?“, ist töricht. Dies gilt insbesondere angesichts des realen Zick-Zack-Kurses der Geschichte, an den uns Jürgen Kuczynski erinnerte. Wir beteiligen uns deshalb nicht an Selbstinfantilisierungen dieser Art.
Debatte und Diskussion brauchen Meinungsfreiheit. Kritik an der gegenwärtigen Politik Israels und der BRD gehört dazu. Diese Freiheit ist gegenwärtig in großer Gefahr – für sie zu kämpfen, ist damit wiederum auch unser Beitrag zur langfristigen tatsächlichen Sicherheit Israels und für die dauerhafte Freiheit der Menschen in Palästina. Das gilt aber auch innerparteilich. Wolfgang Abendroth hinterließ uns die Erkenntnis, dass innerparteiliche Debatten und Auseinandersetzungen Arbeiterparteien nicht lähmen müssen. Offenbar wird aber genau das in der Partei DIE LINKE befürchtet – und dies nach den Erfahrungen rund um die Parteispaltung in verstärktem Maße. Wir halten es dagegen mit Abendroth!
Im beruflichen wie privaten Umfeld erhält man als Antwort auf Fragen nach dem Nahost-Konflikt häufig Kopfschütteln und Ratlosigkeit. Wir als Kommunistinnen und Kommunisten haben in diesem Text – nicht als einzelne Mitglieder, sondern als Gruppe – den Versuch unternommen, das für uns Grundsätzliche zu erarbeiten, um es zu veröffentlichen und als Diskussionsangebot zu unterbreiten.
Das kann der Landesverband DIE LINKE Hamburg, vertreten durch den Landesvorstand, auch! Möge unser Beispiel dazu ermuntern. Wir fordern dazu auf!
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Völkermord!
Hamburg, den 7. Mai 2024